Bis zum Jahr 2050 muss die Baubranche ihre CO2-Abhängigkeit loswerden. 33 Ideen, wie Architekten gegen die Klimakrise entwerfen können.
Auftrag
1 Raumprogramm: Die Bestellung hinterfragen
Erstelle so wenig Haus wie möglich. Die Suffizienz, die Genügsamkeit, ist die grösste Stellschraube. Wer gar nicht in die Ferien fährt, wer keine Kinder hat, wer auf Fleisch verzichtet, spart am meisten Treibhausgase. Hinterfrage also deinen Bauherrn: Braucht es wirklich einen Neubau? Muss die Wohnung tatsächlich drei Bäder haben? Ist die Tiefgarage nötig? Der Klimahebel ist bei der Bestellung am grössten, der Interessenkonflikt allerdings auch. Wer wenig plant und baut, verdient wenig – ob Architekt, Haustechnikplanerin oder Unternehmer. Die Ökonomie verleitet uns alle.
Lass dich nicht von den Zahlen blenden. Die graue Energie wird auf die Energiebezugsfläche pro Jahr gerechnet, um sie mit der Betriebsenergie zu vergleichen. Aussagekräftiger als die Quadratmeter ist aber die Anzahl der Bewohner oder der Arbeitsplätze. Anders gesagt: Nur ein intensiv genutzter Quadratmeter ist ein klimaschonender Quadratmeter. Öffentliche und halböffentliche Räume sind deshalb grundsätzlich im Vorteil. Private können von den Genossenschaften lernen, die oft mit maximal 35 Quadratmetern Wohnfläche pro Person rechnen. Das entspricht dem durchschnittlichen Verbrauch pro Kopf in der Schweiz von 1980.
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2 Standort: Eine Frage der Mobilität
Baue an Orten, die gut erschlossen sind. Der Verkehr verursacht rund ein Drittel der Treibhausgase in der Schweiz und ist damit der grösste Klimatreiber hierzulande. Ein Minergie-Zertifikat nützt wenig, wenn das Auto in der Garage und die dafür nötige Infrastruktur das eingesparte CO2 wieder verpuffen. Der SIA-Effizienzpfad Energie und Label siehe 33 wie SNBS oder 2000-Watt-Areal stellen deshalb hohe Anforderungen an den Standort. Im hintersten Bergtal oder im abgelegenen Weiler wohnt nur ein Eremit klimaschonend.
Ansonsten gilt: Baue dort, wo schon gebaut ist, zum Beispiel mit einer Aufstockung. Baue in der Ebene – am Hang sind aufwendige Fundationen im Tiefbau nötig, die viel Material verschleissen. Und baue wenn möglich nicht im Grundwasser, auch dafür sind CO2-spuckende Konstruktionen nötig.
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3 Umbau: Graue Energie erhalten
Umbau oder Neubau? Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht, weshalb Architekturwettbewerbe diesen Punkt offenlassen sollten. Doch im Zweifelsfall und wenn die Nutzung dies erlaubt, ist der Umbau die bessere Variante. Instandsetzungen stossen zwar im Betrieb mehr CO2 aus, verursachen aber rund vierzig Prozent weniger graue Treibhausgase als ein Neubau. Ausnahmen sind Gebäude mit besonders hoher Betriebsenergie wie Laborbauten, Krankenhäuser oder Schwimmbäder, weil dort die Erstellung nicht so stark einschenkt. Für den Umbau spricht auch die Zukunft: Der Betrieb könnte dereinst klimafreundlicher werden, zum Beispiel wegen eines ökologischeren Strommixes. Die grauen Treibhausgase aber entweichen heute in die Atmosphäre. Und denke daran: Ein Abbruch vernichtet immer Substanz, auch wenn die graue Energie bei einem mehr als sechzigjährigen Gebäude rechnerisch bereits abgeschrieben ist (Dauerhaftigkeit).
Generell sind Umbauten und Sanierungen für das Klimaziel entscheidender als Neubauten, weil die Schweiz weitgehend gebaut ist. Da nur rund ein Prozent des Bestands jährlich erneuert wird, dauert es viel zu lange, bis alte Energieschleudern aufhören zu rauchen. Umso wichtiger ist, dass Architekten pro Sanierungsfranken möglichst viel CO2 einsparen. Wie das gelingt, zeigt die Empa-Studie ‹Der Weg zum energieeffizienten Gebäudepark›. Ausser bei Neubauten aus der letzten Dekade gilt unabhängig vom Alter der Häuser: Öl-, Gas- oder Elektrodirektheizungen müssen weg. Sonst lässt sich das Netto-Null-Ziel nicht erreichen, selbst wenn die gesamte Gebäudehülle saniert wird. Ausserdem: Wer umbaut, sollte die Tragstruktur möglichst nicht berühren, hier steckt die meiste graue Energie. Und: Kluge Etappierungen kombinieren die Vorteile von Neu- und Umbau.
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4 Dichte: Synergien nutzen
Die Verdichtung hilft dem Klima auf vielfältige Weise. Sie reduziert den Verkehr, weil mehr Menschen an gut erschlossenen Standorten wohnen und arbeiten. Sie fördert die Kompaktheit der Bauten, einer der grössten Hebel auf Gebäudeebene. Sie erlaubt Synergien zwischen Nutzungen, etwa wenn die Abwärme eines Supermarkts die Wohnungen darüber heizt. Und die Dichte ermöglicht eine effiziente Energieversorgung, zum Beispiel mit einem Fernwärmenetz. Allerdings ist eine dichte Überbauung nur dann klimaeffizient, wenn sie auch dicht genutzt wird (Raumprogramm).
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5 Hochhaus: Verdichten geht auch anders
Hochhäuser sparen Boden. Aber ihre Konstruktion ist aufwendig, weil die Lasten und die gesetzlichen sowie die technischen Anforderungen mit den Höhenmetern zunehmen. Ab einem gewissen Punkt kippt die Bilanz selbst ökonomisch ins Minus. Die Höhe dient dann nur noch der Selbstdarstellung. Hochhäuser sind darum nicht die erste Wahl für die klimabewusste Architektin. Verdichten lässt sich meist auch mit einer normalen Geschosszahl, also mit fünf bis acht Stockwerken. Allerdings: Ein Hochhaus ist immer noch besser als ein Einfamilienhaus.
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Gebäude
6 Tiefbau: Ein Fundament braucht jedes Haus
Die Devise ‹so wenig wie möglich› gilt im Tiefbau doppelt und dreifach. Aushub und Fundament machen rund zehn Prozent der Treibhausgase der Erstellung aus, bei komplizierten Baugruben auch mehr. Versuche, den Aushub darum vor Ort zu lagern oder noch besser weiterzuverwenden, etwa bei den Aussenanlagen oder für Beton- oder Lehmkonstruktionen. Und verändere das Terrain so wenig wie möglich. Im Untergrund braucht es dicke Betonmauern und robuste Aufbauten, das schenkt in der Klimabilanz negativ ein. Zudem verschlechtern unbeheizte Kellergeschosse die Treibhausgaswerte des Gebäudes – jedenfalls rechnerisch –, weil diese auf die beheizte Nutzfläche bezogen werden. Ein Fundament braucht jedes Gebäude. Ein Geschoss daraus zu machen, ist sinnvoll, wenn Kellerräume nötig sind. Tiefer als das und ausserhalb des Fussabdrucks eines Hauses aber gilt: unten ohne.
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7 Tragstruktur: So schlank wie möglich
Egal, wie man rechnet: Die Tragstruktur ist mit rund einem Drittel der mit Abstand grösste Posten in der Treibhausgasbilanz eines Gebäudes und damit die wichtigste Stütze einer klimaverträglichen Konstruktion. Du sollst die Kräfte nicht spazieren führen, lernen Architekten im ersten Statiksemester. Die Schwerkraft fordert einen direkten Lastabtrag. Also keine aufwendigen Auskragungen, komplizierten Abfangungen, riesigen Spannweiten. Sie brauchen mehr und stärker belastbares Baumaterial, beides erhöht die graue Energie markant.
Ein optimiertes Tragwerk spart bis zu 25 Prozent der Eigenlasten und also der Ressourcen ein. Würden die Bauingenieure weniger überdimensionieren, wäre sogar eine Halbierung möglich, nimmt die University of Cambridge an. Ins Gewicht fallen vor allem Decken und Fundament. Bei Stahlbetonbauten machen die Decken die Hälfte der Betonmasse aus. Rippen, Stabtragwerke oder vorgespannte Bauteile sparen Material und also CO2. Ein effizientes Tragwerk wirkt sich auf allen Ebenen aus: Je optimierter die Spannweiten, desto dünner die Decken, desto schlanker die Stützen, desto einfacher das Fundament, desto kleiner der ökologische Fussabdruck. Und weil die Tragstruktur steht, bis das Haus abgerissen wird, sollten Architektinnen sie von anderen, kurzlebigeren Bauteilen trennen (Recycling).
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8 Kompaktheit: Die Effizienz der Kiste
Um eine kompakte Form kommt kein klimabewusster Architekt herum. Die Volumenlehre ist seine Gehilfin. Je weniger Fassade pro Nutzfläche desto weniger Kilowattstunden verbraucht das Gebäude im Betrieb. Da in der Fassade viele CO2-intensive Materialien stecken, sinken damit auch die grauen Treibhausgase. Beachte: Zur Kompaktheit gehören in dieser Betrachtung nicht nur der Dämmperimeter, sondern alle Aussenbauteile eines Gebäudes – insbesondere im Tiefbau. Der Hebel ist enorm, wie eine Studie der Hochschule Luzern verdeutlicht, die verschiedene Varianten mit einem würfelförmigen Gebäude verglich. Ein Geschoss statt deren vier erhöht die Treibhausgase insgesamt um 31 Prozent, zwei abgetreppte Stockwerke um 17 Prozent, ein Hof in der Mitte um 6 Prozent. Die Effizienz der Kiste ist unerbittlich: Selbst sonnenfangende Schrägfassaden, beschattende Balkone oder kühlendes Eingraben wirken sich negativ auf die Bilanz aus.
Kompakt heisst zudem gross: je mehr Volumen, desto weniger Oberfläche. Nur schon die geometrische Lehre spricht also gegen das Hüsli. ‹Bigger is better› gilt selbstverständlich nur so lange, bis der Städtebau, die Schwerkraft (Hochhaus) oder das Tageslicht dem Klumpen Grenzen setzen. Je tiefer ein Grundriss, desto schwieriger ist es, die dunkle Mitte effizient zu nutzen (Raumprogramm).
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9 Grundriss: Jeder Quadratmeter zählt
Ein klimaverträglicher Grundriss ist effizient, sprich: viel Hauptnutzfläche pro Geschoss. Vergeude wenige Quadratmeter für die Erschliessung, die im besten Fall unbeheizt ist. Platziere die Nasszellen übereinander, damit die Schächte einfach zugänglich und die Leitungen kurz bleiben (Haustechnik). Ordne Nutzungen, die kein Tageslicht brauchen, in der Mitte an. Das gilt vor allem für Bürobauten, bei denen der Strom für die Beleuchtung mehr einschenkt als bei Wohnhäusern.
Entscheidend sind nicht die Treibhausgasemissionen pro Quadratmeter, sondern pro Person (Raumprogramm). Reduziere deshalb die privaten Räume zugunsten der öffentlichen. Der Grundriss sollte eine hohe Belegung begünstigen, was gegen offene Anordnungen und für klassische Zimmergrössen spricht. Und er sollte flexibel sein, damit er auch andere Nutzungen zulässt, was den Lebenszyklus des ganzen Gebäudes erhöht. Das Gebot der Effizienz gilt schliesslich auch für die räumliche Qualität: Entwerfe so viel Abwechslung, Grosszügigkeit und Raumwirkung pro Quadratmeter wie möglich.
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Konstruktion
10 Dauerhaftigkeit: Sechzig Jahre und mehr
Eine dauerhafte Konstruktion ist eine klimaschonende Konstruktion. Je länger ein Bauwerk steht, desto weniger Kilogramm CO2 werden in Zukunft emittiert. Das gilt vom Städtebau bis zur Schraube. Die Konstruktion muss langlebig, unterhaltsarm und flexibel sein. Trenne Bauteile mit unterschiedlicher Lebensdauer und Funktion, damit unbeständige Elemente einfach ersetzt werden können. Die Dauerhaftigkeit ist aber kein Blankoschein. Wer sich nur darauf abstützt, verlagert das Klimaproblem in die Zukunft. Und die ist ungewiss. Die Berechnungen zur grauen Energie gehen deshalb von einer Amortisationszeit von maximal sechzig Jahren aus, zum Beispiel für die Tragstruktur. Das verhindert, dass Architekten eine CO2-intensive Bauweise über 200 Jahre schönrechnen. Denn: Die Kalkulation ist zwar auf ein Jahr bezogen, um sie mit der Betriebsenergie zu vergleichen, die grauen Treibhausgase fallen aber alle hier und jetzt an – bis auf den Rückbau. Für Nutzungen auf Zeit oder mit ungewisser Zukunft kann deshalb eine weniger dauerhafte, dafür CO2-arme Konstruktion sinnvoll sein.
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11 Fassade: Leicht und beständig
Viele Architekten werden es nicht gerne hören, doch der Grundsatz für Fassaden lautet: Haut statt Panzer. Für Verkleidungen gilt «beständig und wenig Masse», heisst es klipp und klar in der Entwurfsfassung des neuen SIA-Merkblatts zur grauen Energie, das Ende Jahr erscheint. Schwer heisst in aller Regel viel CO2. Das gilt auch indirekt: Je gewichtiger eine vorgehängte Platte, desto aufwendiger die Aufhängung dahinter. Zweischalige Konstruktionen sind im Klimazeitalter fragwürdig, wuchtige Betonplatten vor der Fassade sprichwörtlich aus dem Fenster geworfenes CO2. Einsteinmauerwerke können die hohen Treibhausgase wenigstens mit einem langen Lebenszyklus relativieren. Denn dünn sollte nicht weniger dauerhaft bedeuten. Die Kompaktfassade ist deshalb keine gute Lösung. Und entscheidend ist nicht nur, was sichtbar ist. Eine Unterkonstruktion aus Metall kann bis zu einem Drittel der grauen Energie einer Aussenwand ausmachen, in Holz ist der Anteil verschwindend klein. Das SIA-Merkblatt rät zu einem «massvollen Einsatz von Glas- und Metallfassaden», womit auch der Fensteranteil gemeint ist.
Schliesslich produziert eine klimaschonende Fassade dank Photovoltaik Elektrizität, nicht nur, um den Eigenbedarf zu decken. Die Nachfrage nach Strom wird zunehmen, unter anderem, weil Gebäude künftig mehr gekühlt werden müssen (Klimaerwärmung). Jedes Haus kann seinen Teil dazu beitragen.
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12 Fensteranteil: Nur so viel Glas wie nötig
Seit der Moderne ist der Fensteranteil von Bauten gestiegen. War früher ein Anteil von 25 Prozent normal, ist er heute oft doppelt so hoch. Damit handelt sich der Architekt gleich zwei Klimaprobleme ein. Erstens erhöht er die Treibhausgase der Erstellung – in einer Glasfassade steckt mehr graue Energie als in einer Betonmauer. Zweitens belastet er die Betriebsbilanz, weil es immer heisser wird (Klimaerwärmung). Aus beiden Gründen gilt: Je weniger Glas, desto weniger Treibhausgase. Reduziere also den Fensteranteil so, dass die Räume noch behaglich sind und genug natürliches Licht sowie Wärmegewinn im Winter haben.
Eine Studie der Hochschule Luzern hat die klimatechnische Gesamtrechnung gemacht. Sie rät bei Bürobauten zu einem Öffnungsgrad zwischen 25 und 50 Prozent. Dies spart gegenüber einer Vollverglasung 10 Prozent der Treibhausgase. Bei Wohnbauten liegt die Empfehlung mit 20 bis 40 Prozent etwas tiefer, weil das Kunstlicht weniger zu Buche schlägt. Der Sonnenschutz ist wichtig für die Betriebsenergie, Balkone schenken allerdings generell negativ ein, egal ob im Süden oder im Norden.
Beim Fenster selbst entscheidet der Rahmen, den Architektinnen möglichst reduzieren sollten. Holz ist klimafreundlicher als Plastik oder Metall. Ein Kunststofffenster verursacht doppelt so viele Treibhausgase wie eines aus Holz. Ein Metallfenster ist zwar dauerhafter, macht damit die wesentlich höhere Erstellungsenergie aber nicht wett. Sinnvoll kann aber ein Holzrahmen mit Metallverkleidung sein, ein paar Millimeter Aluminium erhöhen die Witterungsbeständigkeit und damit die Lebensdauer des Fensters erheblich.
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13 Schichten: Weglassen und kombinieren
Bauteile, die mehrere Funktionen übernehmen, sparen Material. Eine Mauer aus Beton trägt nicht nur, sie sichert auch gegen Erdbeben, isoliert Luftschall und gewährleistet den Brandschutz. Schichten, die nur der Ästhetik dienen, sollten Architekten hingegen weglassen. Wird eine Leichtbauwand beidseitig mit Furniersperrholz verkleidet, belastet dies die Umwelt stärker als die Wand selbst. Führe Leitungen also offen, verzichte auf abgehängte Decken, unnötige Verkleidungen und Abdeckungen. Lasse stattdessen das Material für sich sprechen. Edelrohbau heisst auch: Architekten kommen weg von der homogenen Reinheit. Eine klimafreundliche Architektur sieht anders aus. Weniger Schichten bedeutet aber nicht unbedingt nur ein Material. Hybridkonstruktionen sind oft effizienter, weil sie die Vorteile jedes Baustoffs ausspielen, zum Beispiel bei einer Holz-Beton-Verbunddecke. Das Recycling wird dadurch allerdings oft schwieriger.
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14 Vorfabrikation: Nicht in die Ferne schweifen
Die Produktion im Werk ermöglicht genauere Details, schlankere Bauteile, höhere Qualität, weniger Abfall auf der Baustelle. All das kann helfen, Treibhausgase ein wenig zu mindern. Die Vorfabrikation zwingt zudem zum Elementbau, was die Wiederverwendung vereinfacht. Voraussetzung für diese Klimavorteile: Die Bauteile sollten nicht Hunderte von Kilometern auf dem Buckel haben.
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Material
15 Beton: Das Baumaterial der Welt
So wenig wie nötig, lautet die Devise einmal mehr. Für viele Konstruktionen ist Stahlbeton allerdings unverzichtbar, angefangen im Tiefbau. Wo besonders hohe Kräfte wirken, ist er das Material der Wahl – auch aus Klimasicht. Andere Baustoffe stossen pro Tonne Lastabtrag in der Regel mehr CO2 aus. Mit einer effizienten Tragstruktur und wenigen Untergeschossen lässt sich der Anteil reduzieren. Doch Beton hat einen weiteren Vorteil: Er ist so gut wie überall auf der Welt verfügbar. Weil das Material omnipräsent ist im Bauen, wirkt sein Klimahebel entsprechend stark.
Wer betoniert, sollte gut überlegen, womit. Ins Gewicht fällt – neben der Armierung – vor allem der Zement, dessen Herstellung rund acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursacht, die der Mensch bewirkt. Bauingenieure sollten den Zementanteil minimieren, unter anderem dank geringen Kräften und einer guten Mischung der Zuschlagstoffe. Und sie sollten CO2-armen Beton wählen, dessen Zement mit weniger Klinker gebrannt wird. Die Variante ‹CEM III/B› reduziert die CO2-Emissionen um bis zu 25 Prozent, ‹LC3›-Zement verspricht sogar eine Einsparung von 30 bis 40 Prozent. Auch Karbonbeton kann helfen; er enthält zwar mehr CO2 pro Tonne, kann aber bis zu vier Mal schlanker ausgeführt werden. Laut einer Studie der ETH und der EPFL könnte die Betonindustrie die CO2-Emissionen bis 2050 um bis zu achtzig Prozent verringern, verglichen mit 1990, wenn von der Zementwahl bis zur Tragstruktur angesetzt würde. Und dies, ohne die Normen anzupassen.
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16 Recyclingbeton: Eine Ressourcen-, keine Klimafrage
Mit Recyclingbeton lässt sich die Weste nicht reinwaschen. Das Material schont die Ressourcen und die Landschaft, hilft aber nicht gegen die Klimakrise. Recyclingkiessand und Granulat von Beton oder Mischabbruch aufzubereiten, braucht etwa gleich viel Energie wie bei Primärmaterial. Und da rezyklierte Zuschlagstoffe nicht ganz so rein sind, benötigen sie teilweise sogar mehr Zement. Mit neuer Technik könnte sich dies ändern. Ausser dort, wo sehr hohe Festigkeiten gefragt sind, sollte man trotzdem auf Recyclingbeton setzen, solange er aus einem Umkreis von maximal fünfzig Kilometern kommt.
17 Holz: So wenig Leim wie möglich
Holz leistet einen zentralen Beitrag zum Schweizer Klimaziel. Das Material reduziert die CO2-Bilanz bei den meisten Konstruktionen entscheidend, allerdings gehen die Zahlen auf Gebäudeebene auseinander, und wir begeben uns auf ein ideologisches Minenfeld. Eine ETH-Studie spricht von einer 25 Prozent geringeren Klimabelastung als bei einem Massivbau, Energie Schweiz rechnet nur mit rund 5 Prozent weniger grauer Energie. Erstens sind Bauweisen schwierig vergleichbar, zweitens hängt davon nur ein Viertel der grauen Energie eines Hauses ab. Unbestritten sind die Vorteile des geschlossenen Kreislaufs des nachwachsenden Materials. Architekten sollten also wenn möglich mit Holz bauen, solange der Baustoff regional verfügbar und nachhaltig angebaut wird wie hierzulande. Global gesehen ist das jedoch oft nicht der Fall. Zudem wachsen schlicht nicht genug Bäume in den Himmel, um den Materialhunger der Welt zu stillen.
Holz ist nicht gleich Holz. Massivholz schneidet am besten ab, weil es nicht aufwendig verarbeitet wird und keine zusätzlichen Stoffe zum Einsatz kommen. Bindemittel können bei Holzwerkstoffen bis zu sechzig Prozent der grauen Energie ausmachen. Als Faustregel gilt: Je stärker zerkleinert, desto mehr Bindemittel ist nötig. Die graue Energie von sägerauem, luftgetrocknetem Schnittholz ist zehn Mal niedriger als zum Beispiel von MDF-Platten. Auch der Transport schenkt ein: In Holzprodukten aus fernen Ländern wie Kanada oder Russland steckt bis zu einem Drittel mehr graue Energie.
Ein Holzbau ist nicht klimaneutral. Einerseits besteht er nicht nur aus Holz, andererseits verursacht dessen Verarbeitung je nach Energiequelle Treibhausgase. Betrachtet man hingegen nur den Holzkreislauf, wirkt das Bauen temporär CO2-negativ, weil es das Material dem natürlichen Zyklus besonders lange entzieht und uns so Zeit verschafft. Die meisten Ökobilanzdaten berücksichtigen diesen Effekt nicht, weil das Klimagas beim Abbruch wieder freigesetzt wird. Doch die Zukunft ist ungewiss, der Beitrag heute hingegen real messbar: Laut einer Studie des Bundesamts für Umwelt könnte Bauholz in der Schweiz pro Jahr bis zu 2,5 Millionen Tonnen CO2 binden, was rund fünf Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen entspricht. Ein Baum braucht allerdings Jahrzehnte, bis er gefällt und verbaut werden kann. Baustoffe wie Bambus, die extrem schnell nachwachsen, könnten auf globaler Ebene noch wirksamer sein, da der natürliche Zyklus wesentlich rascher läuft als der technische.
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18 Mauerwerk: Es kommt auf den Stein an
Eine Backsteinwand ist die klimafreundlichere Alternative zu einer Betonmauer, wenn die Statik, der Brand- und der Schallschutz keine hohen Anforderungen stellen. Der Leichtbau – vor allem aus Holz – schneidet allerdings nochmals deutlich besser ab. Auch bei den Mauersteinen gibt es Unterschiede. Energie Schweiz empfiehlt im Ratgeber ‹Graue Energie von Neubauten›, statt Backstein besser Kalksandstein oder Zementsteine zu verwenden, weil darin bis zu drei Mal weniger Energie steckt. Beim Zementstein wird nur der Zement gebrannt, Kalksandstein wird bei 200 Grad getrocknet. Einen Backstein brennt man bei rund tausend Grad. Mehr Masse und mehr Hitze heisst: mehr CO2.
Zweischalige Mauerwerke sind nicht die erste Wahl. Die wahrgenommene Wertigkeit korrespondiert mit den grauen Emissionen. Generell gilt das Gebot der kurzen Distanzen: Verwende keinen Backstein aus Dänemark oder Norddeutschland. Sie bereichern zwar dein Projekt, aber auch deine Klimabilanz. Die Wiederverwertung ist bei Backstein etwas eingeschränkt. Anders als Vollsteine früher können die meisten Backsteine heute nicht mehr als Ganzes wiederverwendet werden, weil sie schnell kaputt gehen oder die Bearbeitung zu aufwendig ist. Und Granulat aus Mischabbruch hat nicht dieselbe Qualität wie solches von rezykliertem Beton. Wer hingegen hochwertige Steine verbaut und sie möglichst nicht vermörtelt oder verklebt, erhöht die Chancen für die Wiederverwendung.
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19 Naturstein: Die Kraft der Geologie
Sandstein, Quarzit oder Granit haben eine gute Klimabilanz, vorausgesetzt, sie stammen nicht vom anderen Ende der Welt, denn der Transport macht bis zur Hälfte des ökologischen Fussabdrucks aus. Die Energie für die Herstellung lieferte die Natur über Jahrmillionen – ganz ohne Treibhausgasemissionen. Doch die Anwendungen für Naturstein sind wegen der hohen Kosten limitiert, abgesehen von privaten Luxusfreuden. Als Belag für Plätze oder Verkleidungen für den Sockel ist Naturstein aber eine gute Alternative. Vorgehängte Steinplatten setzen allerdings eine aufwendige Unterkonstruktion voraus, weil sie schwer und relativ dick sind. Das verschlechtert ihre Treibhausgasbilanz.
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20 Lehm: Eine Nische mit Potenzial
Stampflehm ist in aller Munde, wenn es um klimagerechtes Bauen geht. Das Material ist vor Ort verfügbar und wird nicht gebrannt, ergo ist es so gut wie klimaneutral. Seine Stärken kann Lehm ausspielen, wo die Kräfte gering sind, zum Beispiel für nichttragende Mauern oder als thermische Masse in Holzbauten. Lehm kann zudem das Raumklima regulieren und so helfen, die Haustechnik zu minimieren.
Allerdings gibt es einige Fallstricke zu beachten. Weil Lehm nicht wasserfest ist, wird er oft mit Zement stabilisiert, was die Treibhausgasbilanz erheblich verschlechtert und die Wiederverwertung erschwert. Wer mit Lehm baut, muss den Zementanteil deshalb möglichst auf null reduzieren. Weil die Mauern dick werden, kommt das Material für die Primärstruktur bei mehrgeschossigen Bauten an seine Grenzen. Lehm ist zudem arbeitsintensiv, weshalb er in der Schweiz bisher in einer Nische blieb. Neue Verarbeitungstechniken wie jene der Start-ups Oxara (Lehmbeton) oder Terrabloc (Erdziegel) könnten dies ändern. Das Potenzial des wiederentdeckten Baustoffs ist noch lange nicht ausgeschöpft und könnte insbesondere im globalen Süden einen wesentlichen Beitrag leisten.
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21 Dämmung: Nicht zu viel und möglichst leicht
Ab einer Stärke von etwa zwanzig Zentimetern kommt die Wärmedämmung an die Grenzen der Physik und der Klimarechnung, sofern nicht fossil geheizt wird. Mit jedem weiteren Zentimeter stehen Materialaufwand und Isolationsertrag in einem schlechteren Verhältnis, zeigt ein Bericht des Bundesamts für Energie. Die Dämmung kann je nach Fassadenaufbau bis zur Hälfte der grauen Treibhausgase einer Aussenwand ausmachen. Bei energetischen Sanierungen fällt die Isolation deutlich stärker ins Gesamtgewicht. Dichte Dämmstoffe enthalten mehr graue Energie, und sie dämmen oft schlechter als leichte. Entscheidend ist deshalb unabhängig vom Material der Fassadenaufbau: Steinwolle in einer Ständerkonstruktion enthält fast vier Mal weniger graue Energie, als wenn sie als Putzträger an der Fassade verbaut wird.
Die Treibhausgase einer Isolation müssen in Bezug zur Dämmwirkung stehen, was Vergleiche erschwert. Das Buch ‹Nachhaltig konstruieren› aus dem Detail-Verlag empfiehlt nachwachsende Dämmstoffe, die CO2 binden, zum Beispiel Hanf, Flachs, Kork, Zellulose oder Holzfaserdämmplatten. Relativ gut schneidet auch Mineralwolle ab, obwohl sie bereits doppelt so viel graue Energie pro Quadratmeter enthält wie Zelluloseflocken. Manche Fachleute wehren sich generell gegen kunststoffbasierte Dämmungen, eine der verbreitetsten Isolationen, die für manche Details unabdingbar sind. Eine postfossile Architektur dürfe kein Erdöl enthalten, so das Argument. Das geschäumte Öl könnte in dreissig Jahren zum klimatechnischen Sondermüll werden, wenn es im Netto-Null-Jahr 2050 oder später entsorgt wird.
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22 Recycling: Der Beitrag von Urban Mining
Die Wiederverwertung ist eine Ressourcenfrage und nicht per se ein Klimathema, wie das Beispiel Recyclingbeton zeigt. Bei Metallen verursacht Recycling allerdings markant weniger Treibhausgase, weil die graue Energie wesentlich von der Aufbereitung des Ursprungsstoffs abhängt, etwa wenn Eisenerz zu Roheisen umgewandelt wird. Sekundärstahl halbiert den CO2-Ausstoss und kommt im Bauen oft zum Einsatz. Armierungseisen bestehen aus Schrott. Für Träger und Profile wird praktisch nur rezyklierter Stahl verwendet. Bei Blechen liegt der Anteil hingegen nur bei rund einem Drittel.
Kreislauf-Plattformen wie Madaster helfen, den Überblick über verbaute Stoffe zu bewahren. ‹Cradle to Cradle›-Zertifikate zeigen, welche Produkte sich gut rezyklieren lassen. Künftig wird vieles wiederverwertet, was heute noch verbrannt wird. Eine ETH-Studie geht davon aus, dass die Schweizer Bauindustrie den Materialzufluss bis 2035 fast halbieren wird, während sich die Abflüsse verdoppeln. 2055 sollen Zu- und Abflüsse im Gleichgewicht sein, womit sich der Stoffkreislauf schliessen liesse. Architekten sollten deshalb so konstruieren, dass sich die Baustoffe sortenrein trennen lassen. Also schrauben, stecken, klemmen und nicht kleben, giessen oder mörteln. Eingelegte Bauteile sind die Bausünden von morgen.
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23 Wiederverwenden: Ein zweites Leben ohne CO2
Wer Bauelemente wiederverwendet, verliert im Unterschied zum Recycling gar keine graue Energie. Ein Stahlskelett, das ein zweites Mal verbaut wird, verursacht nur noch ein Zehntel der Treibhausgase. Allerdings müssen die Bauteile transportiert, angepasst, geprüft und bewilligt werden. Zudem darf man die Gesamtbilanz nicht aus den Augen verlieren: Ein altes Fenster spart zwar graue Energie, verpufft aber mehr Betriebsenergie, weil es schlechter isoliert als ein neues. Und solange Menschheit wie Wohlstand wachsen und also insgesamt mehr gebaut als abgebrochen wird, ist das Potenzial zum Wiederverwenden auf globaler Ebene beschränkt.
Für die Wiederverwendung taugen vor allem Bauteile, die sich einfach ausbauen und transportieren lassen. Insbesondere bei Bürobauten, die häufiger erneuert werden als Wohnhäuser, ist es sinnvoll, zum Beispiel Heizkörper, Rohre oder Fassadenpaneele ein zweites Mal zu nutzen. Vorfabrizierte Elemente sind prädestiniert. Bei der Struktur eignet sich vor allem der Stahlbau, da darin viel Energie steckt und er auf Elementen basiert. Bauteilbörsen wie bauteilclick.ch, salza.ch und wiederverwendung.ch helfen, Anbieter und Abnehmer kurzzuschliessen.
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24 Inneneinrichtung: Wenig Masse, wenig Einfluss
Die Hebel sind gross, wo viel Masse bewegt wird. Die mobilen Ausstattungen und das Mobiliar berücksichtigt das SIA-Merkblatt zur grauen Energie deshalb nicht. Wenn der Bauherr den Innenausbau allerdings alle paar Jahre erneuert, kann dieser in der Bilanz durchaus einschenken. Um die Kalkulation zu erleichtern, lässt das Merkblatt Vereinfachungen zu: Treppen werden als durchgehende Geschossdecken und Türen als Innenwand gerechnet.
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Energie
25 Haustechnik: Lowtech versus Hightech
Nach der Tragstruktur ist die Haustechnik der zweitgrösste Posten in der Treibhausgasbilanz eines Gebäudes. Bei einem Neubau macht sie je nach Nutzung zwanzig bis dreissig Prozent aus. Sogar bis zu vierzig Prozent entfallen darauf bei einem Umbau, da der Rohbau schon steht und Geräte, Leitungen und Kanäle oft komplett erneuert werden, weil die Technik eine vergleichsweise geringe Lebensdauer hat. Die Entwurfsfassung des SIA-Merkblatts zur grauen Energie plädiert deshalb für einen zurückhaltenden Einsatz von Gebäudetechnik: «Architektonische Lösungen führen in der Regel über den ganzen Lebenszyklus betrachtet zu einer besseren Ökobilanz als technische Lösungen.»
Vereinfacht ausgedrückt gibt es zwei Strategien, um die Behaglichkeit zu gewährleisten: Entweder mit viel Haustechnik oder mit viel Materialaufwand. Beides verursacht Treibhausgasemissionen. Viele Lowtech-Optionen wie Nachtauskühlung oder Beschattung belasten die Bilanz allerdings nicht stark. Ein hochoptimiertes System ist anfällig für Fehler, zum Beispiel wenn die Nutzerinnen es übersteuern, es nicht richtig gewartet oder falsch eingestellt ist. Das alles bedeutet mehr Treibhausgase als geplant. Ein System mit wenig Technik hingegen hat eine höhere Toleranz für Unvorhergesehenes. Dazu gehört auch die Klimaerwärmung selbst, denn mit ihr wird der Kühlbedarf steigen. Lowtech zwingt die Planer zudem zu einer robusteren Architektur, weil sie Ineffizienzen nicht mit Technik ausgleichen können.
Des Teufels ist die Haustechnik trotz allem nicht. Sie hilft, die letzten Prozente der Energieeffizienz zu holen, nach dem Motto: Lowtech für die ersten neunzig Meter, Hightech für den Schlusssprint. Energie Schweiz empfiehlt kurze Leitungen und für Lüftungskanäle Kunststoff statt Metall. Und die Installationen sollten gut zugänglich sein, weil sie oft angepasst oder ersetzt werden.
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26 Thermische Masse: Hitzesommer ausgleichen
Massive Bauteile, die Wärme oder Kälte speichern, reduzieren die Heiz- und die Kühlenergie, weil sie Temperaturspitzen ausgleichen und das Raumklima träge machen. Mit jedem weiteren Grad Klimaerwärmung wird dieser Effekt wichtiger. Gleichzeitig bedeutet viel Masse meistens viel graue Energie. Bringe deshalb nur so viel thermische Masse wie nötig ein – entscheidend sind die ersten zehn Zentimeter unter der Oberfläche eines Materials. Dazu genügen die Decken, wie eine Studie der Hochschule Luzern zeigt, sodass Architektinnen Wände und Fassade trotzdem als Leichtbau erstellen können. Holz-Beton-Verbunddecken erreichen das Ziel mit wenig CO2. Bauteile aus Lehm sind ebenfalls eine klimafreundliche Möglichkeit. Unabhängig von der Konstruktion gilt: Damit die Bauteile thermisch aktiv sind, müssen sie mit der Luft in Berührung kommen.
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27 Heizen und kühlen: Mit der Kraft der Natur
Nutze die Kraft der Natur, um dein Gebäude zu temperieren. Die Nachtauskühlung bringt die Temperaturen runter und das – im Gegensatz zur kontrollierten Lüftung – ohne graue Emissionen. Wärmepumpen zapfen die Energie im Grund- oder Seewasser, im Erdreich oder in der Luft an. Die Photovoltaik auf dem Dach und an der Fassade liefert den Strom dazu. Erdsonden und Photovoltaik enthalten zwar einiges an grauen Treibhausgasen, können diese aber in wenigen Jahren dank der gewonnenen erneuerbaren Energie amortisieren. Heizungen mit Holzschnitzeln schneiden besser ab als jene mit Pellets, weil diese oft aus dem Ausland stammen. Wer kann, schliesst sein Haus an ein Fernwärmenetz an, auch wenn diese an vielen Orten noch nicht klimaneutral sind. Für alle anderen gilt, egal ob Neubau oder Umbau keine Öl- oder Gasheizungen mehr. Das fossile Zeitalter ist vorbei.
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28 Nutzer: Mit Fehlverhalten rechnen
Der Unterschied zwischen gerechneten und tatsächlichen Energiezahlen beträgt bis zu fünfzig Prozent – Performance-Gap nennen Fachleute dies. Eine der wichtigsten Ursachen dafür ist der Nutzer, der sich anders verhält als vorgesehen. Architektinnen und Haustechnikplaner können nicht über Menschen entscheiden, aber mit ihrem (Fehl-)Verhalten rechnen. Niemand liest Bedienungsanleitungen. Je einfacher ein Haus funktioniert, desto höher ist die Chance, dass es auch funktioniert wie geplant (Haustechnik). ‹Tubelisicher› heisst das auf Schweizerdeutsch.
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29 Klimaerwärmung: Städte und Häuser kühlen
Zwei Grad hat die Temperatur in der Schweiz im Durchschnitt zugenommen verglichen mit 1864. Und sie wird bis 2100 nochmals um ein bis vier Grad steigen. Die Städte sind davon am meisten betroffen, weil sich die Hitze dort besonders staut. Mit dem Ratgeber ‹Hitze in Städten› gibt das Bundesamt für Umwelt Planern sechs Gegenmittel in die Hand. Der Städtebau sollte kühlende Winde begünstigen. Grünräume, Bäume, Beschattung und Wasserflächen helfen, die Temperaturspitzen zu senken. Und je durchlässiger der Boden, desto mehr Feuchtigkeit kann verdunsten. Die klimakompatible Stadt muss schwitzen können.
Mit jedem zusätzlichen Grad gilt für mehr Häuser: Entscheidend für die Betriebsenergie ist nicht mehr der Winter, sondern der Sommer. Neue Wohnbauten verbrauchen künftig mehr Energie zum Kühlen als zum Heizen, im Tessin sogar bis zu drei Mal so viel. Der Fensteranteil und die Beschattung gewinnen also an Relevanz. Die thermische Masse wird wichtiger, um Temperaturschwankungen auszugleichen. Für Holzbauten mit wenig Masse, die heute noch gut abschneiden, könnte dies zum Problem werden, wie eine Studie der Hochschule Luzern zeigt. Weniger Fenster, grosse Oberflächen und eine gute Nachtauskühlung steuern dagegen. Zudem ist der Kühlbedarf in den Mittagsstunden am höchsten, wenn die Solarpaneele am meisten Strom liefern.
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Umsetzung
30 Werkzeuge: Entwerfen und überprüfen
In der Schweiz gibt es verglichen mit anderen Ländern viele Hilfsmittel, um die grauen Treibhausgase über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu optimieren. Angefangen bei der Einheit von Kilogramm pro Energiebezugsfläche und Jahr. Damit können Planerinnen Erstellung und Betrieb vergleichen. In der Praxis helfen unter anderem der SIA-Effizienzpfad Energie, das SIA-Merkblatt zur grauen Energie, die Ökobilanzdaten im Baubereich der KBOB und die Produktliste von Eco-Bau. Software und Tools nehmen Arbeit ab. Wichtig ist, dass nicht der Umweltingenieur am Ende der Planung die Treibhausgase bilanziert, sondern die Architektin schon am Anfang daran denkt. So wird aus einem Kontrollinstrument ein Entwurfsmittel. Und schliesslich sollten Architekten und Planer routinemässig bei den Herstellern nachfragen, wie gross der ökologische Fussabdruck eines Bauteils ist. Gerade die grauen Treibhausgase fallen sonst unter den Tisch.
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31 Kosten: Arbeit ist teurer als Material
Wer wenig baut, spart Geld. Das gilt für das Raumprogramm, die Abwicklung der Fassade (Kompaktheit), für Untergeschosse (Tiefbau) oder für die Haustechnik. Früh in der Planung laufen graue Energie und Kosten meistens parallel, wer später umplant, legt hingegen drauf. Beim Material und bei der Konstruktion drückt klimafreundliches Bauen häufig negativ aufs Portemonnaie, vor allem in der Planung. Das Problem: Material und damit CO2-Ausstoss kosten wenig, Arbeit kostet viel. Wer schlanker baut, bezahlt oft mehr. Auch die Planer haben keinen finanziellen Anreiz, weniger zu verbauen, weil ihr Honorar von den Baukosten abhängt, ausser sie rechnen nach Zeitaufwand ab. Nötig ist darum ein Bauherr, der langfristig denkt und die ganzen Lebenszykluskosten im Blick hat. Dazu gehören auch Risiken von Materialien, die dereinst nicht mehr erlaubt sind und teuer entsorgt werden müssen.
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32 Fördergelder: Fokus auf die Betriebsenergie
In den meisten Kantonen gibt es Fördermittel für Gebäude, die im Betrieb wenig Energie verbrauchen. Davon profitieren insbesondere energetische Sanierungen, was angesichts der tiefen Erneuerungsquote bitter nötig ist (Umbau). Bei vorbildlichen Neubauten macht der Betrieb aber weniger als dreissig Prozent der Treibhausgase aus. Wie viel CO2 die Erstellung verschlingt, lassen die Gesetze und die meisten Fördertöpfe offen. Bis die Politik die graue Energie reguliert und finanzielle Anreize schafft, hilft darum nur das gute Gewissen des Bauherrn.
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33 Label: Die grauen Treibhausgase kommen noch zu kurz
Zertifikate helfen nur bedingt. Viele Nachhaltigkeitslabels gewichten die Treibhausgase gar nicht oder zu schwach, um den nötigen Ansporn zu liefern. Zudem können Bauherren die schlechte Klimabilanz teilweise mit gesellschaftlichen oder ökonomischen Faktoren kompensieren. Dem Klima ist es aber egal, ob ich meine Nutzer befragt habe oder mehr Geld mit dem Gebäude verdienen kann. Der Minergie-Zusatz ‹Eco› verlangt eine Bilanz zu den grauen Treibhausgasen, ‹2000-Watt-Areal› und ‹SNBS› auch zur Mobilität. ‹2000 Watt› bezieht die Ökobilanz zudem auf Personen und nicht auf Quadratmeter, ein wichtiger Unterschied.
Richtig angewendet können Labels Architektinnen und Bauherren trotzdem aufzeigen, worauf sie achten müssen. Sie fokussieren dazu auf die Indikatoren zur grauen Energie sowie den Treibhausgasen und versuchen dort, die höchste Punktzahl zu erreichen. Und sie wählen aus der Liste von Eco-Bau die Produkte der ersten Priorität aus. Ein Zertifikat ist die einfachste Qualitätssicherung für eine treibhausgasarme Planung, es wirkt in der Breite, und auf diese kommt es an. Wer hingegen einen Leuchtturm baut und sich nicht einschränken lassen will, plant mit dem SIA-Effizienzpfad Energie, der auf dem Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft basiert. Beide Instrumente berücksichtigen die Treibhausgase für Erstellung sowie Betrieb und lassen die Umsetzung dabei offen.
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Wie gross der Effekt ist, zeigen die null bis fünf Punkte.